Samstag, 28. Mai 2011

When Love And Death Embrace

Liebes Tagebuch,

ich weiß, wie sehr ich dich die letzten Wochen vernachlässigt habe. Keine Ahnung, wo ich ansetzen soll ... gestern morgen brachte Fred Fridolin in den Kinderladen. Ich fuhr morgens zur ersten Therapiestunde mit dem Fahrrad in die Nachbarstadt. Natürlich war ich eine halbe Stunde zu früh da. Wie immer. Anstatt vor dem Losfahren noch eine halbe Stunde zu entspannen, fahre ich meistens lieber gleich, damit ich auch pünktlich bin. Ergebnis: ich bin so gut wie immer zu früh, und während ich vor Ort dann WARTE, dafür reichlich unentspannt.

Also die Therapie ... Herrn Klavier schickt der Himmel! Das hat von Anfang an gepasst. Er hat sich sehr viel Zeit genommen für mich, und ich freue mich schon auf die nächsten Stunden bei ihm, auch wenn ich jetzt wieder ganz unten, von ganz vorne, anfangen muss. Das ist mir egal. Dafür habe ich jetzt nicht den imaginären Druck, fertig, gesund werden zu müssen, bevor ich kein Geld mehr habe. Am liebsten wäre ich gar nicht mehr dort weg. Am liebsten würde ich gleich wieder dort hin. Auch wenn ich ganz schrecklich nervös war. So nervös, dass ich die ganze Zeit an meinem Halstuch gezogen habe, so dass es beinahe zerrissen wäre.

Würde es irgendein Mittel geben, damit ich nicht mehr so bin wie ich bin, sondern so, dass mich jemand mag, ich würde es nehmen. Ich bin immer allen zu viel, zu schüchtern, zu leise, zu dick, zu komisch, zu wirr, zu interessiert, zu still, zu laut, zu gefühllos, zu dominant, zu kalt, zu ... . Was passiert denn, wenn ich wirklich zusammenbreche?!

Nachdem ich gestern wieder von Herrn Klavier zu Hause war, musste ich mich erst mal ausruhen. Es ging nichts mehr. Fred holte Fridolin kurz nach 14 Uhr aus dem Kinderladen, da um 16 Uhr das Maifest begonnen hatte. Dazwischen sollte ich mich - laut ihm - um Fridolin kümmern, da er noch 'einiges zu erledigen hätte'. Ich hatte aber noch mich für die Feier zu richten und den Salat zu machen. Und was soll dann mit Fridolin geschehen?! Als ich ihm sagte, dass das aber aus oben genannten Gründen nicht ging (zur Erinnerung: seit drei Wochen bin ich hier mehr oder weniger alleinerziehend mit großem Haus), rastete er komplett aus. Mittlerweile scheut er auch nicht mehr davor, 'so' vor Fridolin zu sein. Ich hielt SEINE dominante Art dann nicht mehr aus, und schlug ein einziges Mal mit der flachen Hand auf die Theke, so dass Fridolin erschrak. Das wird Fred mir dann wieder als gewaltätig auslegen. Hahaha. Armer Fridolin. Mir tut das alles so leid.

Irgendwie haben wir doch noch geschafft, uns nicht an die Gurgel zu gehen. Um kurz vor 16 Uhr fuhren wir dann los. Fred hatte die Salatschüssel auf dem Schoß. Um loszufahren, drückte er mir die Schüssel in die Hand. Da ich noch nicht angeschnallt war, gab ich sie ihm zurück mit den Worten "Moment bitte, ich bin noch nicht angeschnallt." Er reagierte dermaßen wütend, dass er mit dem Auto schnell anfuhr und dann eine Vollbremsung hinlegte und ich mit dem Kopf nach vorne ging. Mitten im verkehsberuhigten Bereich. Daraufhin sprang ich aus dem Auto und zog Fridolin mit raus, um mit ihm mit dem Fahrrad zum Kindergarten-Fest zu fahren. Fridolin war natürlich extrem erschrocken. Armes armes Kind. Ich kann nicht mehr. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ... . Fridolin's Vorführung war ... rührend! Wir aßen noch ein bisschen Melone, dann war Fridolin zum Glück so müde, dass ich ihn mit nach Hause nahm. Auf Feiern hatte ich gestern wahrlich keine Lust, sämtlicher Spaß war mir komplett vergangen. Armer Fridolin.

Heute Morgen ging es nicht besser weiter. Ich fragte Fred, wie er sich das dann am Montag denn vorstelle, unseren Umgang miteinander. Woraufhin er permanent nur sagte, wie sehr ihn meine Wortwahl störte, und dass ich nur immer von ihm sprechen würde blablabla. Naja klar, das war ja auch eine Frage an IHN! Ich selbst führe Selbstgespräche zur Genüge! Zur Genüge! Mit wem soll ich denn sonst sprechen, wenn nicht mit IHM, mit dem ich zusammen wohne in der Theorie. Erst sagt er ständig so verletzende, demütigende Sachen, darauf reagiere ich entsprechend mit Rückzug. Vorhin ging es nicht mehr anders und ich musste mir die Ohren zuhalten. Und dann kommt er wieder so, als wäre nichts.
Was soll ich denn noch machen?! Ich kann wirklich nicht mehr. Wirklich. Vielleicht schnürt mir diese Scheiße hier irgendwann so sehr die Kehle zu, dass ich nicht mehr schnaufen kann. Dann hätte sich das alles von selbst erledigt.

Ob ich noch Gefühle hätte? war eine von Herrn Klavier's Fragen. Ich antwortete etwas Komisches, weil ich es nicht genau wusste. Mittlerweile kann ich sagen: nein. Lieder, die mich phasenweise zu Tränen rührten, mich bewegten oder schafften, mich aus dem Tal der Tränen zu holen, zeigen keine Wirkung mehr, oder wahlweise nur noch die eine: dass es mir nur noch schlechter geht. Freuen kann ich mich nur noch bedingt, wenn Fridolin etwas Schönes macht oder sagt. Bedingt, weil im ersten Moment klar die Freude herrscht, darüber wie süß und lieb und schön ... und dann kommen sofort die "armer Fridolin", "wieso ist das alles so?"-Gedanken.

Auf dem Rückweg vom Fest musste ich die große Brücke hinunter fahren, und die ganze Zeit daran denken, wenn ich jetzt die Kontrolle verlöre, wenn ich jetzt einen Unfall hätte, wenn ich auf dem Gesicht landen würde, ... dann wäre alles aus ... . Nicht mehr leiden.

Jahrelang bekomme ich zu hören, wie böse und egoistisch und dominant und und und ich doch bin, dass ich 'dies' falsch mache und 'das' sowieso und wie schlecht ich doch bin. Solange, bis ich es vielleicht wirklich werde. Obwohl ... ich mich ehrlicherweise nicht wirklich als böse, kalt und sonsirgendwas bezeichnen würde. "Self-fullfilling prophecy" nennt man das:
Die sich selbsterfüllende Prophezeiung (engl. self-fulfilling prophecy) ist eine Vorhersage, die sich deshalb erfüllt, weil derjenige oder diejenigen, die an die Prophezeiung glauben, sich – meist unbewusst – aufgrund der Prophezeiung so verhalten, dass sie sich erfüllt.
Jetzt liege ich wieder im Bett und muss weinen weinen weinen, denn

Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.
Ich kann nicht mehr.

Ich will raus aus diesem Leben. Ich will nicht sterben. Nein. Und ich werde mir nichts antun. Aber ich will dieses Leben nicht mehr. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.

Verzweiflung.