Frida

"Leck' mich am Arsch, Friederike!" waren die letzten Worte meiner Mutter, bevor sie den Hörer gerade auf die Gabel knallte. Ist recht. Ob ich mir eigentlich darüber JEMALS Gedanken mache, was ICH IHR antue mit meiner Boshaftigkeit?! Nicht EINMAL hätte ich sie gefragt, wie es ihr geht. Habe daraufhin gewagt zu behaupten, dass dies eine "Lüge" sei, weil es eine Lüge IST (nicht nur einmal musste ich meinen Onkel anrufen und fragen, welche Krankheit sie hat - abgesehen von Cholerik). "Wie redest du eigentlich mit mir, ich bin deine MUTTER?!"
Auslöser ihres Ausraster war, dass ich ihr auf ihre Frage, wie es mir gehe, geantwortet habe "Immer gleich." Keine Lust, ihr irgendwas von mir zu erzählen. Wozu auch?! Es macht keinen SINN, ihr irgendwas zu erzählen, denn WENN ich das tue, dann hält sie mir vor, dass ich ja nur über mich erzähle. ?!? Das erste Mal, dass ICH diese Antwort gebe. IHRE Standard-Antwort - seit JAHREN!! Weil ich nie 'richtig' nach ihrer Befindlichkeit frage. Ich lache mich irgendwann noch tot. Vor Zynismus.

Meiner doofen Antwort (ja, 'Immer gleich' IST doof) vorausgegangen war die Frage, ob sie denn in den Sommerferien weg fahre. Auf die Frage "Wohin denn?" antwortete sie: "In den Urlaub!" DARAUFHIN kam MEINE blöde Antwort, und der obige 'Dialog'. Sie schloss ihre Tirade mit "Leck' mich am A****, Paulina!" und legte auf.

Oh, geht weiter, sie ruft nochmal an. Sie wollte mir nur nochmal sagen, wie traurig sie ist, wie das mit uns ist (das glaube ich ihr sogar), dass sie keinen Weg sieht, wie das mit uns weitergehen soll. Es sei Wahnsinn, wie ich sie behandle. Und aufgelegt.

Mist, ich hätte schon früher mitschreiben sollen. Ich nehme mir vor, in Zukunft mitzuschreiben, sonst glaubt mir das kein Mensch.

Ja, ich habe es auch mit Ignorieren versucht und und und. Das erste, was meine beiden Therapeuten fragten, als ich ihnen meinen Mutter-Konflikt erzählt war, ob sie denn in psychotherapeutischer Behandlung sei?! Ha! Ha! Ha! Meine Mutter doch nicht. Sie ist Lehrerin. Pädagogin. Sie weiß das schon, sowas braucht sie nicht. Ähm ja. Zerrbild, Friederike. Denk an das Zerrbild. Einfach an das Zerrbild denken. Das ist alles nicht wirklich.

Vor allen Dingen würde es überhaupt keinen Sinn machen, ihr irgendwas von meinem Burnout zu erzählen (weiß sie gar nicht), denn dann würde kommen, dass das erklärt, dass ICH so komisch bin.   Dass das allerdings unter Anderem auf Telefonate wie das obige zurückzuführen ist (und noch vieles mehr), würde ihr NIEMALS in den Sinn kommen, denn Unrechtsbewusstsein hat sie nicht. Früher war immer alles wieder gut, wenn ich im wahrsten Sinne des Wortes mich vor ihre Füße geschmissen und um Entschuldigung gebettelt habe. Für was genau ich mich entschuldigt habe, war mir schon als 6-Jährige schleierhaft. Ich wusste nur, dass wenn ich mich entschuldige, sie aufhört mit dem Geschrei und den Verletzungen. Also habe ich mich entschuldigt. Für alles. Für meine Existenz. Ich erinnere mich an einmal, da ist sie mir versehentlich auf den Fuß getreten. Ich habe auf 'Oh, Entschuldigung' gewartet. Vergeblich. Denn: ICH hatte ja schließlich meinen Fuß da stehen, wo sie ihren hinsetzen würde. Hat sie nicht gesagt, aber ich wusste, dass sie das meinte. Da war ich 8. Da habe ich sie angeschrien, ob ich mich denn auch entschuldigen müsse, wenn in China ein Sack Reis umfalle.

Was ich damit sagen will: Es macht keinen Unterschied, ob ICH nett und lieb (normal halt) bin, sie respektvoll behandle, oder ob ich das alles versuche, wie oben an mir abprallen zu lassen. Sie bleibt wie sie ist. Allerdings: Wenn ich NETT und LIEB bin, mich ihr ÖFFNE, dann mache ich mich zum OPFER!!!!!!!!!!!!!! Dann stelle ich das gefundene Fressen dar. Das will ich nicht mehr sein. Hätte gute Lust, sie vor die Wahl zu stellen: entweder sie macht eine Psychotherapie und überdenkt ihr Verhalten einmal ERNSTHAFT, oder wir gehen getrennte Wege. Das werde ich am Donnerstag Herrn Klavier fragen.

Aber ganz ehrlich: am Allerliebsten wäre mir wirklich, das würde mal jemand mitkriegen.